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Selbstreguliertes Lernen ist wesentlich von sprachlichen Kompetenzen abhängig. Es setzt die eigenständige Be- und Verarbeitung von Informationen voraus. Dazu kommt, dass die verarbeiteten Informationen mündlich und schriftlich präsentiert werden müssen. Eigenständiges Verstehen setzt also neben fachlichem Vorwissen, in welches das neue Wissen integriert wird, auch ausgebaute Lese- und Zuhörstrategien voraus. Solche ausgebauten Rezeptionskompetenzen können auch von Lernenden der Sekundarstufe I noch nicht erwartet werden. Aus diesem Grund müssen Rezeptionsprozesse sprachdidaktisch angeleitet werden. Die im Folgenden dargestellte Strukturierung des Verstehensprozesses soll selbstreguliertes Lernen aus Texten ermöglichen. Zudem wird durch die immer gleiche Strukturierung der Verstehensprozesse ein Modell für die langfristig selbständige Regulierung von Verstehensprozessen gegeben. Wie Verstehensprozesse mit Aufgaben strukturiert werden können, wird im Folgenden am Beispiel von Lesen gezeigt. Für das Zuhören, also für das Verstehen von mündlichen Informationen, sowie für das Verstehen von Bild- und Videoinformationen gilt Ähnliches.
Lesen ist ein komplexer Prozess. Dieser muss daher in für die Schüler und Schülerinnen überschaubare Schritte gegliedert werden. Es hat sich bewährt, den Leseprozess in vier Schritte zu gliedern:
Diese vier Schritte werden durch die Lehrperson oder durch Aufgaben explizit angeleitet. So wird der komplexe Leseprozess in verarbeitbare Teilprozesse strukturiert.
Vor dem Lesen muss bei den Schülern und Schülerinnen eine Leseerwartung aufgebaut werden, die Leseziele müssen ihnen klar sein und wenn möglich soll auch relevantes Vorwissen aktiviert bzw. in Erinnerung gerufen werden. All dies ist nötig, damit die Schüler und Schülerinnen ihr Lesen planen können und wissen, welchen inhaltlichen Kerngedanken sie aus dem Text herauslesen sollen: Das Textverstehen wird wesentlich erleichtert, wenn die Leser und Leserinnen im Voraus wissen, wozu die Lesearbeit dienen soll und wie sie organisiert wird.
Gehen Sie bei der Strukturierung von Leseschritt 1 wie folgt vor:
Advance Organizer Ein Advance Organizer ist ein kurzes, gesprochenes oder geschriebenes Stück Text, das Orientierung über Inhalt und Struktur des Textes gibt. Man kann ihn auch als «Vor-Zusammenfassung» verstehen. Er strukturiert das Lesen vor, sodass es zu einer besseren Verarbeitung des Textes kommt. Er steht am Anfang eines Textes. Er liefert einen Überblick über den Textinhalt und benennt das Leseziel, und zwar verbal möglichst explizit: «Ich erzähle euch heute über/von …» – «Im Text XY wird beschrieben … Dabei wird zuerst … Danach werden X und Y erklärt. dies ist auch auf dem Bild dargestellt … Zum Schluss wird nochmals …». «Nach dem Lesen solltest du folgende Fragen beantworten können», «Den Text kannst du zur Prüfungsvorbereitung nutzen». |
Im zweiten Leseschritt sollen lokale Informationen aus dem Text gezogen werden – das Wort- und Satzverständnis wird geklärt. Dabei müssen je nach Texttyp zum Teil unterschiedliche Lesestrategien angewendet werden. Bei informationsdichten Texten ist ein langsames abschnittweises Lesen sinnvoll, bei dem die Begriffe nach und nach auch unter Hinzunahme allfälliger Bilder geklärt und miteinander verknüpft werden. Bei narrativen Texten wird das Lesen in grösseren Abschnitten unterteilt und die wichtigen Kernaussagen werden markiert. Leseschritt 2 wird durch Anleiten der Bearbeitungsstrategien und durch Fragen zum Nachschauen entlastet:
Gehen Sie bei der Strukturierung von Leseschritt 2 wie folgt vor:
Überlegen Sie, welche Bearbeitungsstrategie für die vorliegende Art von Text sinnvoll ist: Markieren, schrittweises langsames Lesen, …
Unterteilen Sie den Text in sinnvolle Leseportionen.
Geben Sie an, wie die Schüler und Schülerinnen die Abschnitte bearbeiten. Entscheiden Sie zunächst, ob die Schüler und Schülerinnen den Text allein oder zu zweit bearbeiten sollen. Formulieren Sie danach die Leseaufträge: «Arbeitet zu zweit. Lest zuerst Abschnitt 1 langsam. Bearbeitet danach die Fragen 1–5» …«Lies von X bis Y. Markiere die Antworten zu den Fragen 1–5 im Text.»
Formulieren Sie Fragen zum Nachschauen. Tipp: Markieren Sie im Text die wichtigsten Informationen, auf die Sie die Aufmerksamkeit der Schüler und Schülerinnen lenken wollen. Stellen Sie danach Fragen, die auf die markierten Informationen zielen.
Fragen/Aufträge zum Nachschauen Fragen zum Nachschauen lenken die Aufmerksamkeit auf relevante Informationen, die direkt aus dem Text herausgelesen bzw. im Text nachgeschaut werden können. Sie führen dazu, dass diese Textstellen nochmals gelesen werden und unterstützen so das Textverstehen. Gute Fragen zum Nachschauen können genutzt werden, um den Textinhalt zusammenzufassen. |
Im dritten Leseschritt geht es darum, die Informationen aus dem Text miteinander zu verknüpfen und sie zu verarbeiten. Der dritte Leseschritt wird nach dem eigentlichen Lesen des Textes vollzogen. Er verlangt manchmal ein zweites und drittes Lesen einzelner Textstellen oder des ganzen Textes. Leseschritt 3 ist mit folgenden Strategien verknüpft: Randnotizen machen, Text in eine andere Form überführen (z.B. Mind- oder Concept-Map, Zusammenfassung, Zeitstrahl, Grafik, Zeichnung usw.). Auch diese Formen können bereits vorstrukturiert sein, zum Beispiel indem Randnotizen teils vorgegeben sind und nur noch ausgewählt und zugeordnet werden müssen, indem das Concept Map mehr oder weniger stark ausgefüllt ist, die Zusammenfassung nur noch durch bestimmte Teile oder Begriffe ergänzt werden muss usw. Leseschritt 3 ist mit Aufträgen und Fragen zum Verstehen verknüpft.
Gehen Sie bei der Strukturierung von Leseschritt 3 wie folgt vor:
Formulieren Sie Fragen/Aufträge zum Verstehen, bei denen die Schüler und Schülerinnen Inhalte miteinander verknüpfen sollen.
Schreiben Sie zu den Abschnitten jeweils eine Randnotiz. Überlegen Sie, ob die Schüler und Schülerinnen die Randnotizen selbst formulieren können oder ob sie diesen Auftrag strukturieren, indem Sie die Randnotizen vorgeben, die Schüler und Schülerinnen sie zuordnen, indem Sie zusätzlich Randnotizen, die weniger passen, hinzufügen und die Schüler und Schülerinnen die passenden auswählen und zuordnen, indem Sie nur wenige vorgeben und die SuS sie ergänzen usw.
Zeichnen Sie eine Struktur auf, wie Sie selbst den Text in eine andere Form überführen würden. Überlegen Sie einen Auftrag, durch den die Schüler und Schülerinnen den Textinhalt in diese Form überführen sollen: Welche Strukturierungshilfen würden Sie geben? Gibt es Redemittel, die Sie bei der Zusammenfassung immer wieder verwenden? Welche Visualisierungen würden Sie wählen?
Fragen/Aufträge zum VerstehenFragen zum Verstehen verlangen anspruchsvollere Verstehensprozesse. Zusammenhänge müssen erkannt und evtl. in eigenen Worten erklärt werden. Die Antwort zu den Fragen lassen sich nicht direkt, sondern nur indirekt erschliessen. |
Im vierten Leseschritt überprüft man, ob das Wesentliche erfasst wurde, ob ein globales Textverstehen gelungen ist. Der Informationsgehalt wird mit den eigenen Erwartungen, Wertungen, Vorstellungen und Wissen explizit in Verbindung gesetzt. Da dieser Leseschritt wesentlich von fachlichen Zielen abhängig ist, ist hier von sprachlicher Seite nur Folgendes zu beachten: Beim Austausch über das Gelesene müssen die Schüler und Schülerinnen auf den passenden (Fach-) Wortschatz und die für den Austausch relevanten Redemittel zurückgreifen können.
Fragen/Aufträge zum Nachdenken Fragen zum Nachdenken weisen auf Aspekte hin, die über den eigentlichen Informationsgehalt des Textes hinausweisen, in die Lebenswelt verweisen. Sie können zu weiteren Recherchen anregen und mit ihnen können eigene Überzeugungen, (Vor-)Urteile und Einstellungen sichtbar werden. |
Hier können Sie den Überblick zum Lese- und Hör-Verstehen herunterladen:
Überblick Textverstehen unterstützen (PDF, 65 KB)